02.07.2004 • Betriebstechnik / Instandhaltung

Sicherheitskabel - auch im Flammenmeer bei 1000 Grad noch funktionstüchtig

Kabelbrände waren in der Vergangenheit oft an verheerenden Brandkatastrophen beteiligt – von der Zerstörung des Düsseldorfer Flughafen-Terminals bis zum Absturz einer Swissair-Maschine vor fünf Jahren. Mit neuen Kabe-lummantelungen von WACKER lassen sich viele derartige Unglücke vermeiden: Selbst bei über 1000 Grad Celsius funktionieren die Kabel nach wie vor, da die sie umhüllenden Siliconkautschuke sich in schützende Keramikschichten verwandeln. Im neuen Flughafen-Terminal in München, das in wenigen Wochen eröffnet wird, wurden Hunderte von Kilometern derartiger Sicherheitskabel verlegt.

Aus Kurzschlüssen, Schwel- oder Kabelbränden, die sich nicht selten unbemerkt in versteckten Kabelschächten ausbreiten, können die schrecklichsten Brandkatastrophen entstehen: Die Zerstörung eines Terminals des Düsseldorfer Flughafens vor acht Jahren ist sicherlich eine der bekanntesten, doch bei weitem nicht die einzige Katastrophe, die auf Brände in Kabelschächten zurückgeht (in Düsseldorf setzten unsachgemäße Schweißarbeiten die Kabel in Brand). Im selben Jahr 1996 legten solche Kabelbrände gleich dreimal Strecken der Berliner U-Bahn lahm, im September 1998 stürzte eine Maschine der Swissair vor der kanadischen Küste ins Meer. Als Grund wurde ein Funkenüberschlag zwischen Kabeln genannt, deren Isolierung porös geworden war. Und im August 2000 verursachte vermutlich ein durchgeschmortes Kabel in einem Sendeverstärker einen Großbrand im Moskauer Fernsehturm Ostankino.

Doch die Tatsache, dass Kabelbrände die Ursache von Feuersbrünsten sein können, ist nur die eine Seite der Medaille. Fast noch wichtiger ist die Frage, wie lange elektrische Kabel inmitten eines Feuers noch ihre Aufgabe erfüllen, also garantieren können, dass überlebensnotwendige Anlagen weiterhin funktionieren. So ist es bei Bränden im U-Bahn- oder Straßentunnel entscheidend, dass das Lüftungssystem möglichst lange in Betrieb bleibt, um die Rauchgase abzusaugen. Ebenso muss bei Bränden in Gebäuden – ob im Hochhaus, Hotel oder Flughafenterminal – sichergestellt sein, dass Löschwasserpumpen, Alarmanlagen, Feuermelder, Signaleinrichtungen, Schließ- und Öffnungssysteme sowie die Aufzüge lange genug ihren Dienst tun, um die Menschen aus der Gefahrenzone in Sicherheit bringen zu können.

Bei solchen Bränden entstehen leicht Temperaturen von 800 bis 1000 Grad Celsius und mehr. Selbst hochtemperaturfeste Materialien glühen dann hell rot und gelb; bei 1083 Grad Celsius schmilzt bereits das Kupfer in den Drähten – wie soll da eine Kabelisolierung einer derartigen Höllenglut widerstehen? In der Vergangenheit waren deshalb flammfeste Sicherheitskabel teure und aufwändige Sonderanfertigungen, die beispiels-weise mit Glimmerbändern aus Glasgewebe umhüllt wurden. Schneller als mit 10 bis 15 Meter pro Minute lassen sich solche Spezialkabel aber nicht mit den Bändern umwickeln. Auch sind sie recht schwer zu handhaben – alles Gründe, warum leistungsfähige Brandschutzkabel bislang bei weitem nicht so verbreitet Einsatz fanden, wie es eigentlich ihrer Bedeutung entspricht.

Doch eine Erfindung von WACKER-Chemikern ist nun auf dem besten Weg, dieses Gebiet zu revolutionieren: Sie entwickelten einen flammfesten Kautschuk, der alle Temperaturanforderungen erfüllt und zugleich 40-fach schneller – also mit 600 Meter pro Minute – zu einer Kabelummantelung verarbeitet werden kann. Hersteller von Sicherheitskabeln wie die Firma Lynenwerk in Nordrhein-Westfalen oder das belgische Kabelwerk Eupen bekommen von WACKER beispielsweise ein Granulat aus dem neuen Kautschuk, das sie in einem Extruder wie einen gewöhnlichen Kunststoff behandeln können. Über einen Saugrüssel gelangt das Granulat in den Extruder und wird dort durch eine Düse – ähnlich einer Nudelpresse – gedrückt, die dem Kautschuk seine Form als Kabelummantelung gibt. Da dies mit sehr hoher Geschwindigkeit geschieht, können hochtempe-raturfeste Brandschutzkabel auf diese Weise wesentlich kostengünstiger als bisher hergestellt werden. Zugleich freuen sich auch die Elektriker, denn die neuen Kabel sind fast ebenso leicht zu handhaben wie ihre mit konventionellen Kunststoffen ummantelten Verwandten.

Die Entwicklung geht auf ein Patent von Dr. Dietrich Wolfer zurück, der eine spezielle Rezeptur für Silicon-kautschuke erfand. Silicone (umgangssprachlich auch Silikone) bestehen aus einem Gerüst, das abwechselnd aus Silicium- und Sauerstoffatomen aufgebaut ist und mit verschiedenen organischen Seitenketten versehen werden kann. Seit 1947 stellt WACKER SILICONES Silicone für die unterschiedlichsten Produkte her, wie Öle, Pasten, Lippenstifte, Dicht- und Schmierstoffe, Harze und Bautenschutzmittel und seit neuestem auch spezielle Siliconkautschuke für Sicherheitskabel unter dem Markennamen ELASTOSIL® R.

Bei sehr hohen Temperaturen, wie sie in Bränden entstehen, verbrennen Siliconkautschuke zu Kohlendioxid, Wasser und Siliziumdioxid – was nichts anderes ist als der Stoff, der in Sand, Quarz und Glimmer enthalten ist. Das Besondere an der WACKER-Erfindung ist, dass das Siliciumdioxid nicht als Asche vom Kabel herabfällt, sondern es weiterhin als Schutzschicht für elektrische Kabel funktioniert. Das Kabel kann dank dieser Keramikschicht auch im Brandfall den elektrischen Strom leiten wie gewohnt. Dadurch unterscheiden sich die Brandschutzkabel von WACKER von anderen Kunststoffummantelungen: Diese gehen nämlich entweder in Flammen auf, was zu Kurzschlüssen bei den nun blanken Kupferleitungen führt – oder sie verkohlen, bilden also Kohlenstoff. Der aber ist selbst elektrisch leitend und verursacht dadurch Kurzschlüsse, was wiederum zum Versagen der elektrischen Einrichtungen führt.

Die Silicon-Brandschutzkabel von WACKER erfüllen alle wichtigen internationalen Normen, so zum Beispiel E90 nach DIN 4102, das heißt, dass das Kabel bei Temperaturen von bis zu 1000 Grad Celsius 90 Minuten lang funktionstüchtig bleiben muss. Sogar einen der weltweit härtesten Sicherheitstests, den so genannten UL 2196 des unabhängigen US-Prüfinstituts Underwriter Laboratories, bestand der Kautschuk ELASTOSIL® R502/75 mit Bravour. Dabei werden die Kabel zwei Stunden lang den Flammen von 100 Gasbrennern ausgesetzt – die Temperatur steigt auf fast 1100 Grad Celsius. Anschließend spritzen die Prüftechniker unter Hochdruck stehendes Wasser aus dem Feuerwehrschlauch auf die noch glühenden Kabel. Während der ganzen Zeit dürfen angeschlossene Glühbirnen nicht ausgehen.

Immer mehr Kunden wissen diese Vorteile zu schätzen: WACKER fertigt die flammfesten Siliconkautschuke schon im dreistelligen Tonnenbereich pro Jahr. So wurden im Neubau des Düsseldorfer Flughafenterminalsebenso die WACKER-Kautschuke eingesetzt wie an den berühmten amerikanischen Universitäten Harvard und MIT in Boston und neu errichteten Hotels der Marriott-Kette in den USA. Die Sicherheitskabel werden hier vor allem verwendet, um Rauchgas-Ventilatoren, Fahrstüh-le, Feuermelder, Signaleinrichtungen und Löschwasserpumpen im Brandfall möglichst lange weiterbetreiben zu können. Doch auch die Ausrüster von Zügen und U-Bahnhöfen setzen verstärkt auf die neuen Brandschutzkabel.

Und in einem der größten Verkehrsbauprojekte sind sie an allen Ecken und Enden zu finden: im neuen Terminal 2 des Münchner Flughafens, das für 1,3 Mrd. EUR errichtet und im Juni 2003 offiziell eröffnet wurde. Hier sollen einmal bis zu 25 Millionen Fluggäste pro Jahr abgefertigt werden. Aus Sicherheitsgründen wurden Hunderte von Kabelkilometern mit mehreren Dutzend Tonnen der Siliconummantelungen von WACKER versehen. Das beeindruckendste Beispiel ist die von Siemens errichtete Gepäckförderanlage: Die Förderbänder, die maximal 100000 Gepäckstücke pro Tag transportieren können, haben eine Länge von 40 Kilometern und werden von 19000 Elektromotoren angetrieben. Alle Signalleitungen sind als Brandschutzkabel mit den Siliconkautschuken von WACKER ausgelegt. Der Grund dafür ist einfach. Auch im Brandfall soll die Gepäckförderanlage noch so lange funktionieren, bis alle Koffer und Taschen, die ja leicht brennbar sind, aus der Gefahrenzone entfernt werden können – und darüber hinaus sollen die Kabel die Brandfortleitung unterdrücken und dafür sorgen, dass alle Brandtüren geschlossen werden.

Hintergrundinformation

WACKER fertigt verschiedene Arten der hochelastischen, drei-dimensional vernetzten Siliconkautschuke, die sich alle im Brandfall als harte und elektrisch isolierende keramische Schicht um das zu schützende Kabel legen. Zu dieser Produk-treihe gehören:
  • ELASTOSIL® R 502/75: erhält die Funktion der Kabel bis ca. 950°C
  • ELASTOSIL® R 503/75: funktionserhaltend bis etwa 1100°C
  • ELASTOSIL® R 543/70: besteht aus zwei Komponenten, funktionserhaltend bis ca. 1000°C
  • Diese Materialien sind als farblose oder gefärbte Granulate ebenso erhältlich wie als Siliconschaum, der v.a. in Kabel-innenmänteln oder in Dichtungsprofilen von Brandschutztüren eingesetzt wird.
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