11.08.2008 • Messtechnik • Thermische Verfahrenstechnik

Über den mittleren E-Modul EG für Flachdichtungen

Die in prEN 1591-2:2006 [1] veröffentlichten Messwerte EG sowie weitere Messwerte nach DIN EN 13555 [6] des E-Moduls von Flachdichtungen aus Weichstoffen oder Metall/Weichstoffen, die den Internetseiten der Hersteller entnommen werden können, zeigen, dass prinzipiell eine Darstellung in linearer Form nach Gleichung 1

EG = E0 + K1 · Q0                                                                     (1)

möglich ist, wenn man E0 und K1 durch eine Näherungsrechnung ermittelt. Das ist auch die Aussage in DIN V ENV 1591-2:2001 [2]. Es verwundert deshalb, dass in [1] eine Darstellung entsprechend Gleichung 1 untersagt ist und nur auf die Messwerte verwiesen wird.

Über die Beschreibung des elastischen Rückfederverhaltens der Dichtungen herrscht in der Europäischen Norm zur Berechnung verschraubter Flanschverbindungen EN 1591 Teil 1 und Teil 2 eine gewisse Konfusion. Das zeigt sich im Auftreten von mehreren Erscheinungsformen des E-Moduls, nämlich einmal als E-Modul EG und zweimal als mittlerer E-Modul EGm. Es gibt aber keinen mittleren E-Modul EGm für Flachdichtungen aus Weichstoffen oder Metall / Weichstoffen, sondern nur EG als Messwert oder nach Gleichung 1 aus Messwerten abgeleitet.
Es gibt erst recht keinen Faktor 0,5, mit dem das Produkt K1 · Q0 oder der gemessene E-Modul EG zu multiplizieren sei; das ist schlicht falsch.

Der E-Modul in Teil 1 der DIN EN 1591-1
Die Europäische Norm DIN EN 1591-1:2001 [3] führt einen mittleren E-Modul EGm für Flachdichtungen in Tabelle 1 entsprechend nachstehender (in DIN EN 1591-1 leider ohne Nummer angeführter) Gleichung 2 ein.

EGm = E0 + 0,5 · K1 · FG0 / AGe = E0 + 0,5 · K1 · Q0                          (2)

Im ersten Amendement zur Norm wird in der Vornorm DIN EN 1591-1:2001/prA1:2005(D) [4] das Konzept mit dem Faktor 0,5 beibehalten, und es gilt nunmehr für nichtmetallische Flachdichtungen aus Weichstoffen für den mittleren E-Modul die nachstehende Gleichung 3.

EGm = 0,5 · EG                                                                                           (3)

Der E-Modul in Teil 2 DIN V ENV 1591-2
Im Teil 2 der DIN V EN 1591-2:2001 dagegen wird richtigerweise angenommen, dass für den E-Modul von Flachdichtungen aus Teil 1 Gleichung 1 gilt (zur Erinnerung)

EG = E0 + K1 · Q0                                                                                        (1)

Der fälschlich eingeführte Faktor 0,5
Der Ausdruck für EGm taucht zum ersten Mal in dem – zurzeit nur in Englisch zur Verfügung stehenden – Beiblatt zur EN 1591-1 [5] auf. Er wurde aus den in Bild 1 dargestellten Verhältnissen abgeleitet.

Die Graphik zeigt einen – allerdings unrealistischen – Flächenpressungsverlauf, der von Null bis zu einem Maximalwert am Außendurchmesser der Dichtung verläuft. Das hat zu der Vorstellung verführt, dass sich der mittlere E-Modul als arithmetischer Mittelwert aus dem inneren niedrigen und dem äußeren höheren E-Modul bilden lasse.

Aus Gründen der Reibung kann bei der dargestellten Beanspruchungsart nach Bild 1 nicht mit einem Beginn der Flächenpressung bei dem Wert Null gerechnet werden; denn es herrscht dort ein dreiaxialer Spannungszustand. Eine Flächenpressungsverteilung entsprechend Bild 2 ist deshalb wahrscheinlicher.

Es trifft aber eher folgende Gleichung 4 bzw. 5 zu, bei der die Flächenpressung am Innendurchmesser der Dichtfläche mit Qin > 0 und die am Außendurchmesser mit Qau > Qin bezeichnet ist.

Aus EGm = (E1 + E2) / [(E0 + K1 · Qin) + (E0 + K1 · Qau)] /2         folgt (4)
mit Qm = (Qin + Qau)/2  und es ergibt sich                                             (5)

EGm = E0 + K1 · Qm

Diese Art der Beanspruchung tritt auch unzweifelhaft bei Flachdichtungen auf, die nach Bild 3 auf ihrer ganzen Breite bis zum Innendurchmesser der Dichtung verformt werden.

 

Die Messung der E-Module
Nach DIN EN 13555 [6] werden dazu beispielsweise Flachdichtungen nach EN 1514 in Flan-schen nach EN 1092 der Größe DN 40 PN 40 oder auch in Prüfgeräten mit steifen Platten ver-wendet. Diese Dichtungen werden zwangsläufig einer mittleren Flächenpressung ausgesetzt, da nur mittlere Flächenpressungswerte zur Verfügung stehen. Dies gilt für die Laborverhältnisse mit ebenen parallelen Prüfplatten genauso, wie mit den sich einstellenden effektiven Dichtflä-chenbreiten bei auftretender Flanschneigung. Die aus der Berechnung nach DIN EN 1591-1 sich ergebende mittlere Flächenpressung Q0 = FG0 / AGe führt dann zwingend zu einem mittleren E-Modul EGm = EG. Es bedarf also überhaupt nicht der Bildung eines Mittelwertes, da alle Werte bereits als Mittelwert vorliegen.

Beispielrechnung
Nun könnte man der Meinung sein, dass hier viel Aufhebens um eine Nebensächlichkeit gemacht wird. Dass das aber nicht so ist, davon kann man sich leicht durch Beispielrechnungen nach DIN EN 1591 überzeugen. Es treten beispielsweise Abweichungen wichtiger Werte bei einer paarigen Flanschverbindung mit Vorschweißflanschen DN 350 PN 64 bei 83,2 bar Prüfdruck bei 20 °C und einer Flachdichtung aus expandiertem Graphit mit Blecheinlage von etwa +75% bis -40% auf.
Eine besonders starke Abweichung erfährt der E-Modul. Er ergibt sich nicht als etwa doppelt so hoch beim Fortfall des Faktors 0,5 sondern mehr als dreimal so hoch. Die gegenseiti-gen Abhängigkeiten führen zu diesem Resultat.

Zusammenfassung

Es gibt nur den direkt gemessenen E-Modul EG = f(Q0) oder den aus Tabellen ermittelten E-Modul EG = E0 +K1 · Q0. Bei letzterer Beziehung basieren die Konstanten E0 und K1 ebenfalls auf Messungen. Dies ist ein mittlerer E-Modul.

Die Norm ist dahingehend zu ändern, dass auf die Einführung eines mittleren E-Moduls EGm verzichtet wird. Insbesondere sind alle Anwender gehalten, die Anwendung der Gleichungen 2 und 3 mit dem Faktor 0,5 zu überdenken.

Für weitergehende Erläuterungen stehe ich jederzeit gern telefonisch oder per eMail zur Verfügung.

Literatur

[1] prEN 1591-2:2006 (D). Flansche und ihre Verbindungen – Regeln für die Auslegung von Flanschverbindungen mit runden Flanschen und Dichtung – Dichtungskennwerte. Berlin, Beuth Verlag

[2] DIN V ENV 1591-2:2001-10: Flansche und ihre Verbindungen – Regeln für die Ausle-gung von Flanschverbindungen mit runden Flanschen und Dichtung – Dichtungskenn-werte. Berlin, Beuth Verlag

[3] DIN EN 1591-1:2001-10. Flansche und ihre Verbindungen – Regeln für die Auslegung von Flanschverbindungen mit runden Flanschen und Dichtung – Berechnungsmethode. Berlin, Beuth Verlag

[4] DIN EN 1591-1:2001/prA1:2005 (D). Flansche und ihre Verbindungen – Regeln für die Auslegung von Flanschverbindungen mit runden Flanschen und Dichtung – Berech-nungsmethode – Änderung 1. Berlin, Beuth Verlag

[5] Beiblatt zu DIN EN 1591-1:2001-10: Flansche und ihre Verbindungen – Regeln für die Auslegung von Flanschverbindungen mit runden Flanschen und Dichtung – Hintergrund-informationen. Berlin, Beuth Verlag

[6] DIN EN 13555:2005-02: Flansche und ihre Verbindungen – Dichtungskennwerte und Prüfverfahren für die Anwendung der Regeln für die Auslegung von Flanschverbindun-gen mit runden Flanschen und Dichtung. Berlin, Beuth Verlag
 

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